Giovedì, 27 Febbraio 2020 22:43

Tessiner fühlen sich im Stich gelassen - Blick

 
Die Angst vor dem Coronavirus wächst in der Südschweiz – mit ihr auch die Kritik an den Massnahmen des Bundesamts für Gesundheit.
 
Seit dem vergangenen Wochenende ist nichts mehr so, wie es war. Norditalien hat am Samstag den ersten Corona-Fall. Dann geht es Schlag auf Schlag. Die Bilanz heute: Zwölf Tote und über 400 Infizierte. In nur sechs Tagen. Neun Regionen im Land sind vom Virus befallen. Auch Deutschland und Frankreich melden laufend neue Fälle.
Die Schweizer Behörden reagieren erst, als der erste Infizierte im Kanton Tessin am Montagnachmittag bestätigt wird. Rund um Patient 1 werden Kontaktpersonen gesucht und in Quarantäne gestellt. Man beginnt die Medien zu informieren. Die Lage sei «normal».
 
Über 1000 Tests am Tag möglich
Am Dienstag ist die Einschätzung schon eine andere: Der Bund erhöht die Test-Kapazitäten für das Virus. Schweizweit können zehn Labore Corona-Tests durchführen. Darunter auch ein Labor im Tessin. «Damit sind insgesamt 1000 Tests pro Tag möglich», so Alain Berset. Die Corona-Hotline des Bundes wird aufgestockt. Derzeit gehen täglich 1400 Anrufe ein. Dennoch bleibt der Gesundheitsminister entspannt: «Wir sind gut vorbereitet.»
Im Tessin werden zwei Eishockeyspiele von Ambri und Lugano ohne Zuschauer stattfinden. Auch die Fasnacht ist im ganzen Kanton abgesagt. Am Montag beginnt nach den Karnevalsferien regulär der Schulunterricht. Nur Klassenfahrten ins Ausland sind bis Ende März gestrichen. Wie ernst der Kanton die Lage heute einschätzt, zeigen Zelte, die vor den Notaufnahmen der vier Regionalspitäler aufgestellt werden. «Die Entwicklung verändert sich extrem schnell», sagt Kantonsarzt Giorgio Merlani während der nun täglichen Medienkonferenz.
 
Herbe Kritik auch aus dem Südkanton
Für die Massnahmen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) hagelt es unterdessen Kritik. Der Epidemiologe Christian Althaus widerspricht Bundesbern. Die Mortalitätsrate – also die Zahl jener, die an der Erkrankung sterben – sei weit höher als vom Bund angegeben. Das sei falsch, kontert Berset. Wie hoch die Sterblichkeit sei, lasse sich immer erst am Ende einer Epidemie sagen. Gegenüber BLICK gibt das BAG zu: «Wir gehen im Moment davon aus, dass diese über derjenigen der Grippe liegt.»
Mangelhaft habe man auf den explosiven Ausbruch im benachbarten Norditalien reagiert, findet Franco Denti. Der Präsident der Tessiner Ärztekammer wettert: «Bern hat die Lage im Tessin und in der Lombardei nicht kapiert.» Man hätte sofort die Südgrenze, wenigstens für fünf Tage, schliessen müssen. Jetzt drohe dem Kanton eine Häufung von Corona-Fällen, und das wäre für das Tessiner Gesundheitssystem eine Katastrophe.
 
Italien als grosses Vorbild
Die Tessiner Hausärzte fühlen sich komplett im Stich gelassen. Sie hätten bis heute keine Mundschutzmasken, Handschuhe, Kittel oder Brillen erhalten, so der Kammerpräsident. Italien habe mit den Massen-Quarantänen richtig gehandelt. Franco Denti ist überzeugt: «Da niemand eine wirksame Therapie gegen das Coronavirus oder gar einen Impfstoff hat, helfen nur drastische Eindämmungsmassnahmen.»
Eine hermetische Abriegelung von ganzen Dörfern oder Städten können sich die Kantonsärztinnen und Kantonsärzte für die Schweiz jedoch nicht vorstellen. Stephan Zellmeyer vom kantonalen Führungsorgan des Kantons Bern: «Bei uns sind Massnahmen, wie sie uns aus China übermittelt wurden, in dieser drastischen Form nicht vorgesehen. Als letzte Konsequenz könnten die Gesundheitsbehörden Gebiets- oder Gebäudeeinschränkungen verhängen. Aber das würde in Form einer Weisung an die Bevölkerung passieren und durch die Polizei überwacht. Zwangsmassnahmen stehen dabei nicht im Vordergrund. Das passt nicht zur Schweiz. Zudem hätten wir auch nicht die personellen Mittel dazu.»
 
 
Ultima modifica il Lunedì, 02 Marzo 2020 22:47